Einige Lieblingsrosen – ein paar Worte über Rosen

Natürlich liebe ich Rosenbücher. Es gibt nichts Schöneres, als an Winterabenden darin zu lesen und mich inspirieren zu lassen, mich in der Opulenz der Abbildungen zu verlieren und vom Enthusiasmus der Verfasser angesteckt zu werden. Allerdings habe ich manchmal den Eindruck, als seien es immer die gleichen Sorten, die in den mir bekannten Büchern vorgestellt werden: Mme Hardy, die Damaszenerrose, die Albarose Königin von Dänemark, die Gallicarose Charles de Mills und Jacques Cartier, die Portlandrose, um nur einige Beispiele zu nennen. Ohne Frage zu Recht, und auch aus meinem Garten sind sie nicht wegzudenken.

In den folgenden Porträts möchte ich den Versuch unternehmen, diese ausgetretenen Pfade zu umgehen, indem ich einige Rosen vorstelle, die es aus meiner Sicht ebenso verdient hätten, größere Verbreitung zu finden und häufiger gepflanzt zu werden. Dabei beziehe ich mich ausschließlich auf meine Erfahrungen mit diesen Rosen hier im Rosengarten an der Elbe.

Sidonie

Anfangen werde ich mit einer Rose, deren Rosenklasse unbestimmt ist und die sowohl als Remontant- als auch als Portlandrose durchgehen könnte. Sidonie ist ein gut verzweigter Strauch mit ausgewogenem, harmonischem Habitus. Sie wurde 1846 von Dorisy in Frankreich aus einem Sämling gezogen und erreicht eine Höhe von etwa 1,60 m, sie wächst aufrecht und elegant überhängend. Ihr Blattwerk ist gesund und Sidonie trägt eine Überfülle an silbrig-rosafarbenen Blüten, die dick und kugelig beginnen und später zu flachen, geviertelten Schalen werden. Die Hauptblüte im Juni ist überwältigend, eine zweite, üppige Blüte folgt im August, gefolgt von vereinzelten Blüten bis in den Herbst hinein. Eine ihrer Schwestern, Joasine Hanet, mit ähnlichem Stammbaum und ebenso zwischen Remontant- und Portlandrose pendelnd, wächst hier in direkter Nachbarschaft zu ihr.

Sidonie steht  in ausreichendem Abstand zu der Reihe hoher Bäume am Ende des Grundstücks, aber deren Wurzelausläufer reichen bis zu ihr und entwässern im Sommer den Boden. Im heißen Sommer 2018 sah sie prächtig aus, nichts schien ihr zu fehlen, heiß und trocken ist offensichtlich ihr liebstes Klima. Sie wird als Portlandrose, die sie für mich aufgrund ihres Wuchses am ehesten ist, nicht zu hoch und nicht zu breit, ist wunderbar in ein gemischtes Beet mit kühlen Farben  integrierbar und aus meiner Sicht uneingeschränkt empfehlenswert.

Excellenz von Schubert

Nun stelle ich eine der Rosen des Trierer Züchters Peter Lambert vor, die Polyantha-Hybride Excellenz von Schubert aus dem Jahr 1909. Sie gehört mit bis zu 1,40 m Höhe und Breite zu den höheren Polyantharosen. Die Farbe ihrer Blütenbüschel ist ein intensives Mauve. Klettern könnte sie wohl auch, dazu braucht sie vielleicht noch ein paar Jahre Zeit. Auch sie ist eine sehr gute Wahl für ein gemischtes Beet, dieses Mauve, das sie mitbringt, ist unschlagbar mit zartgelbem Frauenmantel und hohen weißen Campanula persicifolia (Pfirsichblättrige Glockenblume). Sie blüht reich im Juni und nochmals ausdauernd im August und als gute Polyantharose ist sie sich auch für einen Schwung Herbstblüten nicht zu schade. Ihr Laub ist dunkelgrün und sie war hier im Garten meistens gesund. Sie steht neben Kordesʼ Strauch- oder Kletterrose Leverkusen, die lange, fast waagerecht liegende Blütentriebe zu ihr hinüberschickt. Ihre zartgelben, halb gefüllten Blüten harmonieren bestens mit dem dunklen Mauve der Excellenz.

Valence Dubois wird zu den Gallica-Hybriden gezählt, entstanden ist sie 1880 in Frankreich.

Für mich sieht sie aus wie die Kreuzung einer Gallicarose und einer Damaszenerrose. Der halbhohe, schmale Wuchs erinnert an Mme Zoetmans, das Blattwerk an La Ville de Bruxelles und die Blüten sehen aus wie eine Mischung des sanftem Purpurs der Gallicarose Ypsilanti mit dem Reinweiß der Blüten von Mme Hardy.

Oftmals sind rare und aus dem Handel verschwundene Sorten, wenn man sie dann bekommt und pflanzt, eine Enttäuschung. Das einzig Besondere scheint dann der Seltenheitswert zu sein.

Ganz anders bei Valence Dubois. Kugelblüten in dieser Größe, die später zu flachen Schalen werden, sind nicht ganz ungewöhnlich, aber die Farbe ist schon exquisit. In der Mitte ein zartes Mauve, zu den Rändern hin weiß,  das ist wie eine Schüssel Sahne mit einem Klacks Himbeeren. Die Kombination von Eleganz und Robustheit sowie das gesunde und üppige Blattwerk zeichnen sie aus. Für mich ist es schwer nachvollziehbar, dass sie komplett aus dem Handel verschwinden konnte.

Ich hatte in der Literatur nach Elternsorten gesucht, aber nichts gefunden. Professor Joyeux erwähnt sie bei den Gallica-Hybriden, ohne ihr aber viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die Querverweise auf der Rosen-Website HelpMeFind enthalten auch nichts Erhellendes. Seiʼs drum, sie ist jedenfalls eine Rarität, die unbedingt Garten würdig, leider aber nur schwer erhältlich ist.

Darlowʼs Enigma könnte wahrscheinlich klettern. Sie ist eine Fundrose und wurde in den 80er Jahren in den USA entdeckt und in den Handel gebracht. Klassifiziert ist sie als Moschata-Hybride, was bedeutet, sie kann mehrmals blühen. Hier steht sie im Rosenpark in einer Dreierreihe mit Luciole und William C. Egan.

Darlowʼs Enigma, die Rätselhafte, hat offene, weiße Blüten mit gelben Staubgefäßen. Wie ein Schwarm zierlicher Schmetterlinge sieht es aus, wenn sie im Juni in voller Blüte steht. Bis in den September hinein hat sie ständig ein paar Blüten geöffnet und bis in den Herbst ist ihr Laub frisch und gesund. Sie bildet einen mächtigen, aber wohlgeformten Strauch von 2 x 2 m und auf einer Freifläche mit Platz und Luft zum Atmen scheint sie sich wirklich wohlzufühlen.

Katharina Zeimet

Marie Pavié, Schneewittchen 01 und Katharina Zeimetdrei weiße Polyantharosen, die sich ähneln und die alle drei mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.

Der Vorteil von Polyantharosen ist, dass sie nicht viel Platz brauchen, dass sie mehrmals blühen und  eine beschwingte Eleganz in den Garten bringen. Marie Pavié und Katharina Zeimet werden etwa 1,20 m hoch und 1 m breit, Schneewittchen 01 bleibt mit etwa 80 cm niedriger und kompakter.

Alle drei tragen gesundes Laub und blühen überschwänglich im Juni und August, Marie Pavié schafft sogar noch eine dritte volle Blüte im September/Oktober. Damit ist sie nun wirklich Spitzenklasse.

Warum Schneewittchen 01? Sie wurde von Peter Lambert 1901 zusammen mit Katharina Zeimet in den Handel gebracht. Die von Reimer Kordes 1958 eingeführte Floribundarose Schneewittchen (Iceberg) hat im Stammbaum eine Rose (Robin Hood), die der Reverend Joseph H. Pemberton, wie viele andere seiner Rosen, aus der Lambert-Züchtung Trier gezogen hatte. Und Trier ist wiederum ein Abkömmling von Aglaia, welche die Samenspenderin von Schneewittchen 01 ist, und da schließt sich der Kreis.

Alles nachzulesen in einem der besten Rosenbücher, die ich kenne: Alte Rosen und Wildrosen von Anny Jacob, Hedi & Wernt Grimm sowie Bruno Müller, leider vergriffen und nur antiquarisch erhältlich.

 

Stellvertretend für eine ganze Reihe hervorragender Gallicarosen, die lange nicht im Handel waren und jetzt wieder zurück sind, seien hier genannt: Belle Virginie und Lustre dʼÉglise.

Alter Adel sozusagen. Lustre dʼÉglise, der Kirchenglanz, stammt wie viele Rosen aus der Zeit vor 1800 wahrscheinlich aus den Niederlanden. Sie wird mit der Jahreszahl 1790 in einen ähnlichen Zeitrahmen gestellt wie die weitaus bekanntere Charles de Mills/Bizarre Triomphant.

Sie ist selbst für eine Gallicarose zierlich und wird nur  knapp 1 m hoch. Sie trägt für ihre Statur relativ große Blütenschalen, wunderbar geviertelt, dunkelrosa und zu den Rändern aufhellend. Neben ihr steht Catinat von Vibert  aus dem Jahr 1838, ihr dunkles Purpur kontrastiert trefflich mit dem sanften Rosa von Lustre dʼÉglise.

Lustre d’ Eglise

Belle Virginie wird um einiges höher und breiter als ihre Vorgängerin und ihre Blüten sind sehr individuell. Die inneren Blütenblätter liegen in einen perfekten Kreis eingebettet, die äußeren Blütenblätter stehen hoch  und klappen leicht nach hinten. Innen ist die Blüte dunkelrosa, nach außen verblasst sie zu Weiß. Ihr Züchter ist unbekannt, 1828 findet sie eine erste Erwähnung.

Juliette entwickelt sich hier zu einem ausladenden Strauch von 1,60 m Höhe. Ihre Blüten in einem hellen Rosa sind unregelmäßig weiß durchwirkt und sitzen an elegant gebogenen Zweigen. Sie könnte gut im Hintergrund eines Beetes oder frei im Rasen stehen, ausdrucksstarke Rosenpersönlichkeit, die sie ist.

Die beiden Gallicarosen sind gesund, genügsam und eine Bereicherung für jeden Garten.

 

Ein paar Worte über Rosen

Ich pflege einen freundlichen und pragmatischen Umgang mit meinen Rosen. Sie kommen zwar als Handelsware zu mir, normalerweise dauert es aber gar nicht  lange, bis eine persönliche Beziehung zwischen uns entsteht. Wenn ich durch den Garten gehe, begegne ich auf Schritt und Tritt Rosenpersönlichkeiten mit individuellen Eigenschaften und Eigenarten.

Gleichwohl ist mir eine Art von botanischer Genauigkeit wichtig. Jede Rose hat einen Namen und gehört einer definierten Rosenklasse an, sie hat einen Züchter oder eine Züchterin und ein Jahr, in dem sie gezüchtet und in den Handel gebracht wurde. Diese Basisdaten stehen auf den von mir gestalteten Rosenschildern und darüber ist eine Rose in der Regel eindeutig identifizierbar. Das betrifft selbstverständlich alle Pflanzen, denn nur über die lateinischen Bezeichnungen lassen sich Stauden, Gehölze und Kräuter zweifelsfrei bestimmen.

Die Quellen für diese Daten sind bei den Rosen allerdings vielschichtig und widersprechen sich hin und wieder. Das macht es erforderlich, viele Quellen zu studieren und die auszuwählen, die am glaubwürdigsten erscheinen.

Wer mit Rosen zu tun hat, wird sich irgendwann über ihren Schnitt Gedanken machen.

Anfangs hielt ich mich an die Empfehlung, dass historische Rosen nur einen geringfügigen Auslichtungsschnitt brauchen, totes Holz entfernt und altes Holz alle paar Jahre bis zum Boden zurückgeschnitten werden sollte.

Hin und wieder hatte ich historische Rosen gesehen, die nach der Blüte mit der Heckenschere  bearbeitet wurden, was bei einer sehr großen Anzahl von Sträuchern durchaus Arbeits erleichternd sein kann. Ich sah auch Sträucher, die auf Beetformat gestutzt worden waren und dadurch viel von ihren Charakter verloren hatten; und ich las dutzende  Anweisungen zum Rosenschnitt, oftmals widersprüchlich, hin und wieder aber auch genial einfach. All dies ist in meine Art, Rosen zu schneiden, eingeflossen, entweder als abschreckendes Beispiel oder als Anregung.

Wenn ich anfange zu schneiden, weiß ich in der Regel, mit wem ich es zu tun habe.

Mme Hardy

Wenn ich vor der wunderbaren, weißen Damaszenerrose Mme Hardy stehe, kann ich mich     entscheiden, ob ich ihre langen Klettertriebe nutzen will, um sie als Kletterrose einzusetzen, oder ob ich sie auf  Strauchhöhe zurückschneide. Ich habe mich für den Strauch entschieden, weil ich nicht genügend Möglichkeiten habe, sie klettern zu lassen.

Nostalgie

Inzwischen habe ich mir angewöhnt, auch Teehybriden wie Sträucher zu behandeln und sie nicht mehr bis knapp über  Bodenhöhe zurückzunehmen. Sie können ja kräftige Sträucher werden, wie Tantaus Nostalgie, die auch klettern könnte. Falls es der Platz erlaubt, spricht nichts dagegen, Teehybriden und Beetrosen die Sträucher werden zu lassen, die sie von ihrer Anlage her sein können. Ich hatte es mit drei Teehybriden ausprobiert, die ich geschenkt bekommen hatte und von denen ich nicht wusste, wer sie sind. Mir waren nur die ausgesprochen kräftigen und stark bestachelten Triebe aufgefallen und ich dachte mir, laß sie doch einfach mal wachsen und schau, was passiert. Ich schnitt sie dann jeden Frühling bis auf etwa 80 cm zurück, im Sommer waren sie damit bei 1,70 m angelangt und sahen wie stabile, gut verzweigte Sträucher aus, die üppig blühten. Von da an ließ ich sie Strauch sein.

Bei einmal blühenden historischen Rosen ist ein Formschnitt nach der Blüte notwendig um die abgeblühten Triebe einzukürzen und eine ansprechende Strauchform wieder herzustellen.

Ich hatte mir in den letzten Jahren angewöhnt, beim Winter- bzw. Frühjahrsschnitt rigoros alle grünen Triebe zu entfernen und nur das Holzgerüst stehen zu lassen. Das ist viel Arbeit, hat sich aber oftmals bewährt. Allerdings sollte ich das Holz auch nicht zu alt werden lassen und nach sechs, sieben Jahren ist es sinnvoll, den Strauch auf etwa 50 cm zurückzuschneiden. Das alte Holz ist  für Blattkrankheiten deutlich empfänglicher und es ist gegenüber strengen Frösten nicht mehr so widerstandsfähig, das ist jedenfalls meine Erfahrung hier im Garten. Bei allen Rosen versuche ich, Verblühtes kontinuierlich auszuschneiden, besonders in regenreichen Sommern macht das viel Sinn. Gefüllte Blüten verkleben dann schnell und werden zu braunen, mumienartigen Gebilden, die anfangen zu schimmeln und nur noch häßlich aussehen. Bei modernen Rosen, die bis in den Spätherbst hin ein blühen können, macht es Sinn, lange Triebe vor dem Winter deutlich einzukürzen; auch bei Kletterrosen verfahre ich so und schneide alles ab, was über den Bogen hinausgewachsen war. Windbruch durch Winterstürme läßt sich so vermeiden.

Alba Maxima

Gleichwohl lohnt es sich auch hier, nicht dogmatisch zu sein, sondern flexibel zu bleiben und immer wieder auszuprobieren, das habe ich oft erlebt. Ich würde jedoch nie so weit gehen, meine Erfahrungen verallgemeinern zu wollen: Was sich hier bewährt hat, kann woanders funktionieren, muss es aber nicht.

 

Belle sans Flatterie

 

 

 

 

 

 

La Ville de Bruxelles