Der Vorgarten

 

Winterliche Elbe mit Container

Elbe im August zwischen Kollmar+Bielenberg

Von der kleinen Straße, an der unser Haus liegt, gelangt man auf einem Kopfstein gepflasterten Weg durch einen Durchlass in der Weißdornhecke in den Vorgarten. Es ist eine kaum befahrene Straße, in der sich in den letzten Jahrzehnten nicht viel verändert hat. Die wenigen großen Gehöfte stehen schon seit Jahrhunderten an ihrem Platz, nur dass sie immer seltener bewirtschaftet werden. Folgt man der „Kleinen Kirchreihe“ Richtung Süden bis zum Campingplatz und überquert ihn und den anschließenden Deich, öffnet sich ein weiter Blick über die Elbe. Möwen fliegen, Containerschiffe ziehen ihre Bahn und die Elbinsel Pagensand ist nicht weit. Im Sommer hören wir nachts den Partylärm der Ausflugsschiffe, die auf der Elbe kreuzen, im Winter die Nebelhörner der Schiffe, die bei schlechter Sicht unterwegs sind. Die Nordsee ist nicht weit und die Elbe bringt auf-und ablaufendes Wasser, den Tidenhub, und den Geruch von Salz und Tang mit nach Kollmar. Auch wenn der Fluss von unserem Haus aus nicht zu sehen ist, ist er doch allgegenwärtig.

Wenn ich mit Gruppen durch den Garten gehe, sage ich immer ein paar Worte zur Geschichte des Gartens, ich erkläre, was es mit der Brennnesseljauche auf sich hat, und wir bleiben alle paar Meter stehen, um Rosen oder Stauden zu begutachten. Am äußersten Ende des Grundstücks ist die Führung dann zu Ende. Auf dem Rückweg können sich die Gäste nun ihren eigenen Weg durch den Garten suchen, in ihrer eigenen Zeit, falls es die Gruppenzeit erlaubt. So wie ich es selbst auch gerne mache.

Sukkulenten at Beth Chattos Garden

Wenn ich mir Gärten ansehe, ob mit meiner Frau oder mit Freunden oder nur für mich allein, mache ich gerne eine schnelle Überblicksrunde, um zu sehen, wie der Garten angelegt und gegliedert ist. Am schönsten ist es, etwas Überraschendes zu entdecken, von dem ich noch nicht ahnte, dass es mich interessieren könnte. So wie ich kaum mehr von Beth Chattos Sukkulentengarten loskam, wo sie in Tontöpfen und Schalen kleinste Formen und Strukturen variierte. Oder vom Steingarten mit Miniaturgehölzen bei Gartenfreunden hier in der Nachbarschaft, den Gärtner Ernst mit Akribie, Sorgfalt und Phantasie geschaffen hatte, und von dessen filigranen Strukturen ich immer wieder begeistert bin.

The Rolls at Old Vicarage Gardens

Nach so einem ausführlichen Rundgang, der Aufmerksamkeit und Kondition erforderte, sitze ich gerne bei einem frischen Darjeeling und leckerem Kuchen, dieses wunderbare Angebot gibt es ja inzwischen in vielen Gärten. Danach erst kommt meine liebste Gartenrunde. Ausgeruht und gestärkt sehe ich jetzt den Garten noch einmal mit ganz anderen Augen, vielleicht gehen wir auch zusammen und zeigen uns gegenseitig unsere entdeckten Schätze. Einen Lichteinfall, eine Perspektive, eine verborgene Bank in einer stillen Ecke. Oder wie in The Old Vicarage Garden, als ich den herausgeputzten Rolls-Royce des Besitzers entdeckte, den er so platziert hatte, dass er zwar nicht wie zur Schau gestellt aussah, es aber dennoch kaum möglich war, ihn nicht zu sehen. Blank poliert und frisch gewaschen stand er da, ein Modell aus den 60er Jahren vermute ich, vielleicht ein Silver Shadow. Ein wirklicher Schatz.

So wie unser Haus, von dem ich gerne als unserem immobilen Oldtimer spreche, und in dessen Vorgarten jetzt mein Rundgang beginnt.

Fritz Nobis

The Pilgrim

Mit der malerischen  Backsteinfront unserer reetgedeckten Kate im Rücken und der Hecke als Abschluss zur Straße hin, ist hier ein geschützter Gartenraum entstanden, in dem ich einige meiner besten Strauchrosen versammelt habe. Parallel zur Hecke und von dieser durch einen schmalen Wegstreifen getrennt, stehen in großzügigen Abständen vorwiegend moderne Strauchrosen wie Austins The Pilgrim und Golden Celebration, Port Sunlight und Crown Princess Margareta sowie Colette vom Züchter Delbard. Dazwischen finden sich aber auch die mächtige Fritz Nobis, 1940 von Kordes gezüchtet, und die Multiflorarose Ghislaine de Féligonde von 1916. Die Strauchrosen stehen parallel zur Weißdornhecke, die nicht höher als 1,70 m wird, weil ich sie zweimal im Jahr auf diese Höhe zurück schneide. Bis Anfang April kann sie geschnitten werden, danach ist sie bis zum Frühsommer tabu, damit Vögel darin ungestört nisten und brüten können. Es ist eine alte Hecke und immer wieder muss ich knarzige Stämme aus Altersgründen herausnehmen, nachdem sie abgestorben oder abgebrochen sind. Es ist eine Hecke, die mir sehr am Herzen liegt. Ich versuche sie so gut wie möglich zu pflegen und hin und wieder auch zu verjüngen. Das geht am einfachsten mit Weißdorn Sämlingen, die ich hier und da im Garten finde, die ich 2–3 Jahre wachsen lasse, um sie dann an die Stellen in der Hecke zu setzen, die am löchrigsten geworden sind.

Zwischen der Reihe Strauchrosen und rechts vom Zuweg zum Haus habe ich etwa 30 qm Rasenfläche gelassen. Das ist ein guter Platz, um in Ruhe die Beete zu bewundern und das Haus zu betrachten.

Centaurea macrocephala

Parallel zum Haus und von diesem durch einen schmalen Kopfsteinpflasterweg getrennt, befinden sich zwei Staudenbeete. Sie sind durch den Zuweg zum Haus in zwei ungleiche Hälften geteilt.

Anthemis tinctoria

Das rechte Beet ist in den Farben des Sonnenuntergangs gehalten. Als wir 1997 Sissinghurst besuchten, war meine Frau sofort hingerissen von Vita Sackville-Wests Garten in diesen Farben und ich bekam den Auftrag, etwas Ähnliches zu versuchen; oder vielleicht sagte sie auch nur, sie hätte gerne so einen Garten. Das spornte mich jedenfalls an und daraus entstand dieses Beet in feurigen Tönen. Die Lichtnelke Brennende Liebe (Lychnis chalcedonica) und Färberkamille (Anthemis tinctoria), wobei die Wildform kräftig gelb, die Zuchtform Sauce Hollandaise dagegen zartgelb blüht und die vielen Aussaaten irgendwo dazwischen liegen, haben ihren Platz in diesem Beet gefunden. Die Großköpfige Flockenblume (Centaurea macrocephala) steht dort mit ihren ungewöhnlichen, strohig-goldgelben Blütenkapseln, einige Sonnenaugen (Heliopsis), die schon früh im Juni beginnen und bis in den Herbst hinein blühen, sowie etliche Sonnenbräute (Helenium) wobei ich die braun-orange-gelbe Ruby Tuesday besonders reizvoll finde, und schließlich die hohe Monbretie Lucifer in einem herrlichen Feuerrot. Die schönste Zeit für dieses Beet ist zwischen Juni und Juli sowie nochmals im Herbst, wenn der Sonnenuntergang langsam abklingt und das Blau, Rot und Rosa der hohen Astern auftaucht. Die niedrige Aster dumosus sollte ich nicht vergessen, die ich hier als  Beeteinfassung verwende. In diesem Beet habe ich viele Sämlinge von Glattblattastern gefunden, die zu hohen Büschen herangewachsen und über den ganzen Garten verteilt sind.

Do Tell

Geranium magnificium

Das linke Beet ist in kühlen, zurückhaltenden Farben gehalten und beherbergt einige niedrige Geißbärte (Aruncus aethusifolius und Aruncus kneiffii). Ich hatte sie zuerst im Schaugarten einer Staudengärtnerei gesehen, wo sie mich durch ihr farnartiges Blattwerk und den kompakten Wuchs beeindruckten. Ich kombiniere sie hier mit verschiedenen Phloxen, Aster frikartiiMönch und einer kirschrot blühenden Schafgarbe (Achillea Cerise Queen), den Storchschnäbeln Sirak und Stephanie sowie einem gefüllten Himalaya-Storchschnabel. Dazu habe ich ein Trio Federborstengras (Pennisetum alopecuroides) gesetzt, die Monarde Bee-True und zwei Wiesenrauten in Lila und Weiß. Im Frühjahr dominiert für kurze Zeit die zartrosafarbene Päonia Do Tell diesen Teil des Vorgartens. Zusammen mit dem intensiv lilablauen Storchschnabel (Geranium magnificium) schräg gegenüber ist sie atemberaubend. Do Tell ist standfest, was bei einer Päonie dieser Höhe und dem Gewicht ihrer großen Blüten ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Ihr Laub ist glücklicherweise auch im September noch vorzeigbar und somit entsteht hier keine unschöne Lücke.  Daneben stehen zwei  japanische Astern, Kalimeris incisaMadivaund Kalimeris mongolica ‚Antonia. Ich habe sie bedauerlicherweise erst relativ spät für mich entdeckt. Ihre pastelligen Blau-, Weiß- und Lilatöne sind sehr gut mit Rosen und anderen Stauden kombinierbar. Sie haben eine lange Blühdauer, von Juli bis Oktober, und scheinen unempfindlich gegenüber Schnecken und Mehltau zu sein. In diesem Beet heißt es für mich immer aufpassen, dort hatten sich Wühlmäuse eingenistet und die Wurzeln der dort über lange Zeit gewachsenen Rosen abgefressen. Ich hatte dort schon einen weißen Sonnenhut (Echinacea purpurea ‚Alba‘) eingebüßt und setze nun verstärkt auf Flachwurzler, wie Storchschnäbel, Gräser und Phloxe, bin allerdings auch nicht so konsequent, wie ich es vielleicht sein sollte.

Port Sunlight

Im Hintergrund, vor der Weißdornhecke, wachsen die Rosen Postillion, Port Sunlight und Colette. Hier ist der vorherrschende Farbton Gelb und Apricot.

Im rechten Winkel zur Hecke Richtung Haus biegt davon ein kleiner Beetstreifen ab, der gleichzeitig die westliche Einfassung des kühlen Staudenbeetes ist. Dort wächst die Portlandrose Rembrandt neben der Austinrose Gertrude Jekyll, beide in Rosa- und Rottönen.

Ich werde jetzt noch ein paar Worte über die Rosen verlieren, die ich bereits als meine besten Strauchrosen bezeichnet habe.

 

Fritz Nobis wird ein mächtiger Strauch von 2 x 2 m. Ihre Blüte gleicht einer duftenden Wolke aus feinen Pastelltönen, Rosa, Weiß und Apricot. Über die Jahre hat sie ein kräftiges Holzgerüst mit enormen Stacheln ausgebildet. Ihr Holz kann ich nicht mehr mit der Rosenschere schneiden, hier ist  im Frühjahr die Astschere angesagt.

David Austins The Pilgrim ist sowohl Kletterrose wie Strauchrose. Hier ist der Pilger ein aufrecht wachsender, elegant überhängender Strauch mit langen, dünnen Trieben und gesundem Laub.  Er bringt zartgelbe, duftende Blüten hervor, die in drei Schüben bis zum Frost erscheinen. Eigentlich hat er immer ein paar Blüten geöffnet.

Ghislaine de Feligonde

Ghislaine de Féligonde ist ein eleganter Strauch von 2 x 2 m. Das Farbspektrum ihrer Blüten reicht von Apricot über Zartgelb bis zu Weiß, Ghislaine blüht überwältigend im Juni und hat Blüten bis zum Frost. Sie ist sehr leicht über Stecklinge zu vermehren, sodass ich meistens irgendwo einen Steckling bei Bedarf ausgraben kann, um ihn zu verschenken oder zu verkaufen.

Flame

Yorkshire Queen

Vor The Pilgrim und neben einer namenlosen Teehybride, die zu einem kräftigen Strauch herangewachsen ist, hat sich der wunderbare Storchschnabel Yorkshire Queen etabliert, ein hoch und dicht wachsendes Geranium mit tief geschlitzten Blättern und grauweißen Blüten sowie einer  feinen rötlichen Aderung. Neben der Queen residiert die Päonie Flame, deren ungefüllte Schalenblüten granatrot leuchten, sowie die zart apricotfarbene Rose Charles Austin, unterpflanzt mit besagtem Geranium magnificum in strahlendem Blauviolett. Den Abschluss zum Weg bildet die Portlandrose Mme Knorr, mit stark duftenden, prall gefüllten Blüten in dunklem Rosa. Ihr zweiter Flor im August steht dem ersten Überschwang im Juni in nichts nach. Sie ist ein eher zierlicher Strauch für den Vordergrund, der den sonnigen und hellen Platz zu schätzen weiß.